Wolfgang berichtet vom Istria100 by UTMB
Istria100 by UTMB, 110 Kilometer 4100 Höhenmeter
15. April, 6:45, Buzet, Istrien – 15 Minuten bis zum Start des Istria100 by UTMB. Mein erster 100er. Eine Trommlergruppe heizt die Stimmung der 387 Teilnehmer ordentlich ein und ich steh zusammen mit, gefühlt, 386 Läufer*innen in der Warteschlange vor fünf Dixis – mega! Ich nutze die Wartezeit und zapple mich im Rhythmus der Trommler schon mal warm. Drei Minuten vor dem Start stelle ich mich dann locker und selbstbewusst in die erste Startreihe – wann hat man denn sonst mal bei einem UTMB Rennen die Chance dazu?! Da ich im Vorfeld die Starthektik vom letztjährigen UTMB OCC im Kopf hatte, war ich schon etwas nervös, aber hier in Istrien, wo alles nochmal deutlich kleiner und familiärer ist, läuft dann zum Glück doch alles reibungslos und entspannt ab, wie beim Dorflauf in Lam. „One Minute to go“… AC/DC… Countdown und ab geht die Post.
Ich lasse mich vom hohen Anfangstempo nicht anstecken und laufe von Beginn an mein Ding. Schön im „angenehmen“ Pulsbereich bis maximal Zone 3. Die ersten Kilometer vergehen wie im Flug. Teilweise mit kurzen, knackigen Rampen bergauf, wo ich gleich mit den Stöcken zum Hiken wechsle. Der starke Regen der Vortage hat die Strecke stellenweise in eine richtige Rutschpartie verwandelt. Und so reicht ein kleiner seitlicher Ausrutscher (nicht mal ein Sturz), damit ich mir bei Kilometer 15 einen Stock abbreche. Na toll! Keine Wechselstöcken im Dropback, bedeuten dann, dass ich die Dinger 95 Kilometer, nicht nutzbar, im Rucksack bis ins Ziel schleppen muss. Und sie wären definitiv hilfreich gewesen. „Egal“, denke ich mir, zuhause laufe ich auch meist ohne Stöcke und drücke alles aus den Oberschenkeln, also wird es hier auch funktionieren. Die nächsten Kilometer sind wir auf sehr schönen Trails unterwegs. Abwechslungsreich schlängeln sich die Pfade von Gipfel zu Gipfel, oder nennen wir es mal Hügel. Von Flowtrails über weichem Nadelboden, bis zu verblockte, schwierige Trails war alles mit dabei. Schön, genau mein Geschmack! Die Gipfel erreichen hier um die 1000 Höhenmeter und der Wind pfeift erbarmungslos über die kargen Höhenlagen. Mir ist es sehr frisch und ich bin immer kurz davor, mir etwas Langes anzuziehen. Aber halt nur immer kurz davor, was leider saublöd war, was sich später rausstellt…
Auf den Verpflegungsstellen stehen zum Glück ein paar Zuschauer, meist Angehörige der Läufer*innen. Immer wieder empfangen mich meine Mama & Papa mit lautem Beifall – das tut gut, denn ansonsten ernten wir meist nur ein „herzhaftes“ Kläffen von Hunden beim Durchlaufen von Siedlungen.
Knapp 40 Kilometer sind absolviert und der Downhill zurück zum Startort Buzet ist schnell zum Laufen, da der Schotter- und Teeranteil leider wieder überwiegt. Hier macht sich ein leichtes Stechen im linken Knie bemerkbar, was sich bis Buzet leider in ein starkes Stechen in beiden Knien entwickelt. Ich versuche es auszublenden, da ich mich jetzt erstmal auf die große Verpflegungsstation mit erlaubtem Support durch Angehörige freue. Draußen vor der Sporthalle warten auch schon meine Kids, Katrin und Mama und in der Halle tanzt Papa aufgeregt mit winkenden Armen um den „Gabentisch“. Die Knie sind erstmal vergessen und ich stopfe mich voll mit meiner persönlichen Verpflegung. Hier esse ich genau das, was ich unterwegs nicht bekomme und was mich richtig lustet: eine warme, salzige Kartoffel-Gemüse-Suppe (von der Schwiegermama ;-)) und Weißbrot mit dick Nutella drauf. Schnell noch die Flasks auffüllen, die Taschen mit Riegel vollpacken und die Nutellareste abputzen, bevor es, vorbei an meine Liebsten, weiter Richtung Umag geht.
40k down, 70k to go.
Schnell ist meine Euphorie wieder verflogen, als sich meine Knie wieder bemerkbar machen und wir uns durch die verschlammten Wege kämpfen. Ich glaube, Schlamm kenne ich jetzt in allen Formen und Eigenschaften, die er haben kann – mal klebrig, als wolle er einem die Schuhe ausziehen, mal rutschig, wie Schmierseife. Ab Kilometer 50 ist die Schlammschlacht dann auch wieder größtenteils vorbei, da die Strecke nun überwiegend auf Schotter und Teer verläuft, vereinzelt sind sogar auch ein paar Trails mit dabei. Es folgen noch fünf steile Anstiege von jeweils 200-300 Höhenmeter. Oben angekommen laufen wir durch historische Städtchen und Festungsanlagen. Und natürlich geht es auch wieder genauso steil wieder bergab. Teilweise gehe ich bergab, da meine Knieschmerzen unerträglich werden. Das zermürbt mich und ich sehne die nächsten Anstiege herbei, die ich schmerzfrei und ordentlich hochdrücken kann. Die Kilometer ziehen sich einfach nur noch „wie Kaugummi“ (um es mit den Worten von Sabine auszudrücken) … Selbst im Flachen wechsle ich nun oft vor lauter Schmerzen ins Gehen, lasse mich aber genauso oft durch Läufer, die mich überholen und dabei anfeuern, wieder motivieren und versuche ein paar Meter mitzulaufen. Die Masten der Schiffe im Hafen von Umag sind schon zu sehen, die Möwen zu hören und die salzige Meeresluft ist zu riechen – da weiß ich, dass ich es geschafft habe. Die letzten paar hundert Meter entlang der Uferpromenade in Umag sind nochmal ein schöner Abschluss. Viele Zuschauer applaudieren und klatschen uns Läufer ab. Ich biege ein in die Zielgerade, meine Tochter Lina steht auch schon im Laufschritt bereit und wir laufen gemeinsam über die Ziellinie.
Fazit
Mein erster 100er ist geschafft und darüber bin ich stolz. Und die Zeit ist eigentlich auch nicht schlecht. Warum ich allerdings die ersten 40 Kilometer die Kälte ignoriert und mir dadurch meine Knie unterkühlt hatte, dafür habe ich leider keine Erklärung. Und „wäre, wäre, Fahrradkette“, ohne den blöden Fehler wäre auch noch mehr drin gewesen. Abhaken, daraus lernen und beim nächsten Mal besser machen… Next stop: Julian Alps Trail Run by UTMB, Kranjska Gora, Slowenien.